In den letzten Jahren taucht der Begriff Trauma mehr und mehr in den Medien und in Gesprächen auf, doch unser Verständnis davon, was dieser Begriff wirklich bedeutet, ist oft unvollständig. Ein Teil der Menschen meint, dass ein Trauma immer ein schreckliches Ereignis sein muss: ein schwerer Unfall, eine Vergewaltigung oder Missbrauch, ein Überfall, eine Naturkatastrophe oder ähnlich furchtbare und erschütternde Ereignisse, aus denen wohl fast jeder Mensch traumatisiert hervorgehen würde. Ein anderer Teil der Menschen verwendet den Begriff Trauma schon beinahe inflationär und meint damit alles, was irgendwie als schwer erlebt wird.
Die erstgenannten Ereignisse können potentiell traumatisch sein, darüber hinaus sind es aber auch oft weniger spektakuläre und eher alltägliche und anhaltende Umstände, die in gleichem Maße traumatisierend wirken können. Was für den einen Menschen traumatisierend wirkt, muss aber nicht zwangsläufig einen anderen Menschen gleichermaßen beeinträchtigen.
Allgemein gesagt: Wenn wir über Trauma reden, meinen wir oft Ereignisse, in denen wir uns überwältigt, ausgeliefert, überfordert, bedroht oder hilflos gefühlt haben, und die unsere momentan verfügbaren Bewältigungsmöglichkeiten übersteigen.
In der Folge dieses Ereignisses oder dieser Reihe an Vorkommnissen können wir dann Veränderungen oder Symptome an uns bemerken, die wir nicht zwangsläufig mit diesem Ereignis in einen Zusammenhang bringen können.
Trauma kann entstehen durch unsere Anpassung an:
"zu viel, zu schnell, zu plötzlich" = Schocktrauma (P. Levine),
oder durch zu viel oder zu wenig und zu lange = Entwicklungstrauma
Wir sprechen bei Trauma von seelischen Wunden, die bis in den Körper hinein Spuren hinterlassen können. Der Körper und unsere Identität finden, einfach gesagt, nicht mehr aus der damals nötigen Anpassungsreaktion heraus, die das traumatisierende Ereignis in uns ausgelöst hat, sondern wir verharren unbewusst darin. Das Ereignis/die Ereignisse werden auch oft nicht zusammenhängend erinnert, sondern sind nur bruchstückhaft oder verzerrt gespeichert. Ein Trauma ist nicht das eigentliche Ereignis, sondern unsere Anpassung an das Erleben.
Wenn man sich die Frage stellt, was passiert sein muss, damit es als Trauma definiert werden kann, dann stößt man schnell auf die Schwierigkeit, dass ein Ereignis für die eine Person traumatisch sein kann und für eine andere Person nicht. Wie kommt das?
Dass wir Menschen uns oft sehr voneinander unterscheiden, ist nichts neues. Auch in der Art, wie wir auf schwierige Umstände reagieren, zeigt sich diese Verschiedenheit. Je nachdem in welchem Alter und Zustand wir zum Zeitpunkt des Geschehens sind, also wie wir emotional, geistig und körperlich darauf reagieren können, sind wir mehr oder weniger in der Lage, es zu verdauen und zu integrieren. Auch die Stabilität unserer Lebensumstände, die Art und Verfügbarkeit unserer inneren und äußeren Ressourcen, und die Regulationsfähigkeit unseres Nervensystems bestimmen darüber, ob wir ein Trauma entwickeln, oder nicht.
Klassische Symptome einer (Schock-)Traumafolgestörung (PTBS):
Es gibt jedoch auch weitere Auswirkungen von Traumata, die wesentlich verbreiteter sind. Diese unterteilen sich in Symptome der Über- bzw. Untererregung (Sympathikus/Parasympathikus) des Nervensystems:
sypathikotone Übererregung:
parasympathische Übererregung:
Die Traumatherapie ist aus der Erfahrung entstanden, dass Traumabehandlung andere Werkzeuge und Ansätze braucht, um den betroffenen Menschen wirklich zu erreichen und aus seinem Zustand heraus zu begleiten. Nur über das traumatische Ereignis zu reden hilft nachweislich nicht ausreichend, es schadet teils eher, da man so schnell wieder in der Überflutung durch Gefühle, Gedanken und Bilder landet und in die Dissoziation (Abspaltung von sich selbst) fällt.
Der Mensch ist durch das Trauma aus seiner Wesensmitte heraus gefallen und braucht auf den Ebenen von Körper, Geist und Emotionen wieder die Möglichkeit sich sicher zu fühlen, sich zu spüren und das Erlebte zu verarbeiten.
Es geht also darum, den Menschen darin zu unterstützen, das Erlebte in seiner Gesamtheit zu erfassen, in sein Leben zu integrieren und auch neue, unterstützende Erfahrungen zu machen. Da ein Trauma immer auch eine massive Dysregulierung des Nervensystems bedeutet, geht es auf dieser Ebene darum, einen Weg aus der Über- und/oder Untererregung des Nervensystems zu finden und die Selbstregulationskräfte des Menschen zu stärken.
Meist arbeitet man in der Traumatherapie mit 3 Phasen:
Es gibt verschiedene Ansätze in der Traumatherapie, die je nach Art des Traumas hilfreich sein können.
Grob zu unterscheiden sind körperzentrierte psychotherapeutische Verfahren (Somatic Experiencing, NARM, ISP, Gestalttherapie), psychodynamisch orientierte Verfahren (PITT, MPTT), verhaltenstherapeutische Verfahren (Expositionsverfahren, kognitive Therapie), EMDR als methodenübergreifendes Verfahren, uvm.
Schocktrauma
Klassischerweise meint der Begriff Trauma ein Schocktrauma.
Ein Schocktrauma entsteht durch ein einmalig vorkommendes Ereignis, das uns hilflos macht, uns überwältigt und in dem wir keine Möglichkeit mehr finden, mit der Situation umzugehen oder diese abzuwenden.
Abgesehen von den oben genannten dramatischen Ereignissen, können auch Situationen wie die Diagnose einer schwereren Krankheit, der Tod eines nahestehenden Menschen, plötzliche Trennungen oder Scheidungen, ein Autounfall (auch ein leichter), aber auch gewöhnlichere Dinge wie ein Sturz oder ein medizinischer Eingriff ein Schocktrauma auslösen.
Viele Menschen entwickeln im Nachgang solcher Ereignisse Symptome und können sich einfach nicht erklären, woher sie kommen.
Diagnostisch: Posttraumatische Belastungsstörung - PTBS
Entwicklungstrauma oder Bindungstrauma
Im Gegensatz zum Schocktrauma, das bereits mehr erforscht ist und für das es erprobte Behandlungsansätze wie z.B. EMDR und Somatic Experiencing gibt, ist der Begriff Entwicklungstrauma noch eher Neuland und wird in der Fachwelt erst seit kürzerer Zeit im Nachlauf der ACE Studien aus den USA diskutiert. Entwicklungstraumata entstehen über einen längeren Zeitraum in den prägenden Entwicklungsjahren unserer Kindheit. Da wir als Kind belastenden Situationen viel mehr ausgeliefert sind als im Erwachsenenalter, wirken sich diese Traumata sehr nachhaltig auf die Entwicklung unserer gesamten Person aus, weil sie eine völlig andere Wirkung in unserem Körper und unserer Psyche hinterlassen, als ein Schocktrauma.
Ein Kind muss Überlebensstrategien entwickeln, um besser damit zurecht zu kommen, dass seine Kernbedürfnisse nach Kontakt, Einstimmung, Vertrauen, Autonomie und Liebe nicht angemessen erfüllt werden (siehe NARM nach Dr. L. Heller). Aus dieser Diskrepanz heraus entwickelt das Kind lebensnotwendige Überlebensmuster, um die Bindung an seine Eltern/Bezugspersonen aufrecht zu erhalten. So hilfreich diese Überlebensmuster in der Kindheit waren, so konfliktfördernd und lebenseinschränkend können sie sich später in Beziehungen und allgemein auf unsere Handlungsmöglichkeiten und unseren Selbstausdruck auswirken.
Ein Beispiel für Entwicklungstrauma: Einer ganzen Generation von Müttern wurde beigebracht, dass man sein Baby zu festen Zeiten füttern und es ansonsten schreien lassen soll, um es nicht zu verzärteln oder sich nicht tyrannisieren zu lassen. Also haben diese ihr Kind so lange schreien lassen, bis es innerlich und äußerlich aufgegeben hat, weil seine Hilferufe nicht erhört wurden. Als Erwachsene haben diese Menschen noch
oft ein Gefühl von Vergeblichkeit: "egal was ich tue, es nützt eh nichts...".
Diagnostisch: Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung - K-PTBS
Sekundärtrauma
Ein Sekundärtrauma kann bei Menschen, die anderen in Notsituationen helfen oder selbst Zeuge von traumatischen Ereignissen werden, z.B. Notärzte, Rettungshelfer, Polizisten, Feuerwehrleute, Therapeuten, aber auch zufällige Zeugen von Gewalt oder anderen furchtbaren Ereignissen auftreten.
Transgenerationales oder Generationsübergreifendes Trauma
Der Begriff Generationsübergreifendes Trauma ist in Deutschland durch die Bücher über die Kriegskinder-Generation weithin bekannt geworden. Der Name beschreibt ja schon, dass es sich um Traumata handelt, die von der direkt vom Geschehen betroffenen Generation auf die nachfolgenden Generationen übergehen können.
Unsere Eltern und Großeltern, die z.B. den Krieg hautnah erlebt haben, mussten meist unter so heftigen Umständen um ihr Überleben kämpfen (Bombenangriffe, Hunger, Fronterlebnisse...), dass sie vieles davon verdrängen oder abspalten mussten, um danach mit dem Leben zurecht zu kommen. Die meisten haben diese traumatischen Situationen daher nicht verarbeitet, da zudem nicht darüber gesprochen wurde. Eine Folge davon war, dass sie mit äußerer Gefühlskälte, Distanziertheit oder Reizbarkeit auf ihre Kinder reagiert haben und teils nicht sehr mitfühlend oder einfühlend für diese da sein konnten. Im Vergleich zur blanken Überlebensnot, sind die meisten anderen Alltäglichkeiten eines Kinderlebens nun mal nicht so schlimm, und bekamen daher auch oft wenig Beachtung.
Das systemische Familienstellen und andere systemische Therapien bearbeiten die daraus entstehenden Probleme und haben das Thema Generationsübergreifendes Trauma sehr viel mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt.
Soziales Trauma
Von sozialem Traum spricht man, wenn ein Ereignis viele Menschen betrifft, wie bei Naturkatastrophen, Zug- oder Flugzeugunglücken, Terroranschlägen,
Kriegen oder allen Dingen, an denen viele Menschen beteiligt sind.
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Annette Reiche
Heilpraktikerin für Psychotherapie
Entwicklungs-Traumatherapie NARM®
NARM® Supervision für TherapeutInnen
Orientierungs- & Wertecoaching
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